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Archiv der Artikel die mit gewerkschaft getagged sind.

Marketing

Eigentlich müsste die Überschrift ja heissen: Wen interessiert die demografische Entwicklung wirklich?
Und vor allem: Wer sieht da ein Problem…
… und wer nutzt das auf welche Weise aus?

Fangen wir mal mit den Basics an: Die Menschen leben immer länger und pflanzen sich immer weniger fort – zumindest in den westlichen Industrienationen.
Ein Problem ist das nur an einer Stelle – nämlich bei der Rentenversicherung. Die Ausgaben steigen und die Einnahmen sinken. Das ist nun eine Sache, die jeder Politiker versteht, und die nicht wirklich eine Lösung hat. Denn steigende Beiträge – um die Ausgaben zu decken – führen zu allgemeinem Aufschrei. Dass die ‘werten Zahlbürger’ schreien, könnte man ja vielleicht noch hinnehmen. Jedoch schreien gleichzeitig die Industriefirmen ‘Looooohnnnebenkosten’ – und die Industrie kann ja nun niemand verärgern.
Noch schlimmer ist jedoch die Idee, auf der Ausgabenseite zu sparen: ‘Rentenkürzung’ ist für jede Partei politischer Selbstmord. Schon ‘Nullrunden’ haben ja zu großer Empörung geführt – und das bei der immer größer werdenden Gruppe der ‘Alten’ Wähler. Die kämen sicher auf die Idee, bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen bei ‘dunkelrot’ (die versprechen wenigstens, dass die Renten erhöht werden – und haben bisher noch kein Versprechen gebrochen! ;) ) oder gar bei braun (die versprechen zwar nix und haben noch weniger Ahnung von der Sache, aber dafür regen sich alle anderen Parteien immer so schön auf, wenn die ein paar Stimmen kriegen) setzen.

Also muss mann (oder frau) sich etwas marketingmässig gescheites überlegen, um das Ziel durchzusetzen, das natürlich in Wahrheit Rentenkürzung heisst. (merke ‘Demografie’ klingt nicht zufällig wie ‘Demagogie’)

Hierfür hat man sich dann die ‘Rente mit 67′ einfallen lassen. Klingt zumindest nicht ganz so schlimm wie Rentenkürzung – ist aber de facto das gleiche. Insbesondere dann, wenn die Menschen nicht bis 67 arbeiten, sondern schon vorher Rente beziehen wollen. Die ‘Abschlagsfaktoren’ wirken ja heftig. Übrigens marketingmässig auch hier ganz clever 0,3% im Monat klingt nach wenig, summiert sich aber bei 3 Jahren schon auf über 10%…. Ein echter Marketingmensch hätte wohl 0,29% gewählt – aber wir wollen ja nicht übetreiben…

Rente mit 67 – wer will die denn?

Absolut Keiner! Ausser vielleicht einige Politiker und Aufsichtsratsvorsitzende (die übrigens keine Rente, sondern Pensionen bekommen)
Die arbeitende Bevölkerung? Nein – je früher in Rente (korrekter: aus der beruflichen Tretmühle raus), desto besser.
Die Firmen? Nein – wieso sollen sie für einen Alten Kranken so viel zahlen wie für 3 junge Verheizbare?
Die Rentenversicherung: Nein – siehe oben; erst die Abschläge machen die Rentenkürzung so richtig kurz…
Der Arbeitsmarkt? Nein – die Jobs werden immer weniger, seis durch Automatisierung oder durch Auslagerung. Der in Deutschland produzierte Nachwuchs reicht mehr als aus, um die immer wenigeren Arbeitsplätze zu besetzen. Und falls es doch mal nicht reichen sollte: Billiglohnkräfte aus den ‘neuen EU-Ländern’ oder Lamphukistan (oder andere subkontinentale Nichteuropäer) stehen sofort bereit….

Aber (marketing again) – man kann wunderbar Aktionismus und (pseudo-) Fürsorge demonstrieren.

Demografieanalyyyyse – damit die Menschen gesund und munter bis 67 arbeiten können sollen. Hochglanzbroschüren und salbungsvolle Worte allerseits, wie das Arbeiten fast schon zum Vergnügungsevent werden könnte…
Sonntagsreden über ‘Du wirst für deine Firma immer unersätzlicher!’ – zur Motivation. Bitte nicht mit der Realität vergleichen.

Was passiert aber tatsächlich?
Für den Wunsch der Menschen nach früherem Ruhestand werden ‘Langzeitkonten’ eingeführt (Marketing: ‘Wertkonten’). Ein Verfahren, das im Kern so funktioniert:
- als junger Mensch klotzt du mal richtig ran und zahlst ordentlich ein (DEIN Geld – nicht das der Firma). Und von dem eingezahlten Geld kannst du dann später leben.
Für die Firmen hat das sogar noch einen besonderen Charme:
Da die Konten ja in Geld geführt werden müssen, erarbeitet sich der junge Mitarbeiter mit 1 Monat Arbeit etwa 10 Tage Vor-Ruhestands-Frei. Ein Schelm wer pöhses dabei denkt. De facto haben die Firmen hier die effektiven Löhne gesenkt – was auf andere Weise unmöglich wäre; hier sogar noch ein soziales und wohltätiges Mäntelchen umhat.
(nicht wirklich) Erstaunlicherweise sind sogar die Gewerkschaften mit im Boot:
Da fällt eine Tariferhöhung aus und das so gesparte Geld landet in einem Topf. Wenn nun ein armer Mitarbeiter wenigstens seinen Anteil aus dem Topf retten will, muss er das DemografieFonds-Langzeitkonto Spiel mitmachen.
Das machen natürlich viele – was nur ‘beweist’, wie toll dieses Spiel ist…